Melk, Cod. 662, fol. 139r

Überlieferung


Das in Hexametern abgefasste Gedicht mit dem Titel Memoriale vitae sancti Benedicti wird in drei verschiedenen Fassungen überliefert: Ein Memoriale latius mit 65 Versen (WIC1 7373 und 1745 mit Verweis aufeinander) konnte bisher in neun Überlieferungsträgern bestimmt werden (zwei Autographe), ein Memoriale brevius mit 31 Versen (WIC 20044 ) in 14 (vier Autographe) und ein Memoriale brevissimum mit 18 Versen (WIC 20045) wird in sieben Handschriften (ein Autograph) überliefert. Die Klöster Melk und Tegernsee bieten die meisten Überlieferungen, gefolgt vom Schottenstift in Wien und St. Ulrich und Afra in Augsburg. Der Melker Codex bietet als frühestes Datierung das Jahr 1444 (Melk, Cod. 662, fol. 139r).

Lediglich der Melker Codex 662 (896, P 25), der zahlreiche Texte von Schlitpacher beinhaltet, die zudem meist von Schlitpacher selbst abgefasst sind, und der Tegernseer Codex Clm 19037, der ebenfalls zahlreiche Texte von Schlitpacher in autographer Fassung enthält (eine direkte Abhängigkeit ist noch zu überprüfen), überliefern das Memoriale latius und das Memoriale brevius direkt aufeinanderfolgend, während alle anderen Überlieferungsträger jeweils nur eine Fassung bieten. Auffällig ist die Mitüberlieferung in den meisten Handschriften. Häufig können ähnliche Dichtungen zu Leben oder Regel des heiligen Benedikt im direkten kodikologischen Umfeld identifziert werden, die häufig mit den Worten „aliud memoriale“, „alia metra“ oder einer anderen Form von „aliter“ mit den vorhergehenden bzw. nachfolgenden Texten in Verbindung gebracht werden.2

Dass Schlitpacher der Autor des Memoriale ist, lässt sich handschriftlich mehrfach belegen. Zum einen, wird das Memoriale in mehreren Handschriften überliefert, die überwiegend Texte von Schlitpacher, zum Teil sogar autograph, überliefern wie der Melker Codex 662, der zudem Schlitpacher noch explizit als Autor nennt,3 und der Tegernseer Codex Clm 19037, zum anderen wird in einigen Handschriften Schlitpacher ausdrücklich im Inhaltsverzeichnis oder in Glossierungen als Autor der verschiedenen Fassungen des Memoriale genannt wie z.B. im Tegernseer Codex Clm 20161.

Mehrfach wird auch auf die metrische Form in Anmerkungen und Titel hingewiesen. Häufig findet sich am Ende des Titels der Zusatz „metrice“ (Clm 4403) oder „metrice conscriptus“ (Clm 20161), „Vita sancti Benedicti Abbatis metrica“ (Clm 23643) oder wie im Inhalstverzeichnis von Clm 19037 auf fol. 2v „Memoriale metricum“ (geschrieben vom Tegernseer Bibliothekar Ambrosius Schwerzenbeck). In Clm 19037 wird ein weiteres Merkmal des Memoriale latius genannt, indem mit dem Zusatz „Memoriale vite sancti Benedicti alphabeticum metricum“ darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein ABCdarium handelt. Die Anfangsbuchstaben der Verse sind alphabetisch und wiederholen sich von A bis U insgesamt dreimal. Der vierte und letzte Zyklus endet mit einem H in der Subscriptio.

Als Adressaten werden in der Subscriptio der umfangreichsten Fassung des Memoriale allgemein „fratres“ angesprochen, was für eine Rezeption im monastischen Mileu spricht. Das Memoriale brevissimum schickt Johannes Schlitpacher als „Versus (…) licet exigui“ an seinen ehemaligen Melker Mitbruder Konrad von Geisenfeld.4


1 Hans Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posteriorum latinorum. Alphabetisches Verzeichnis der Versanfänge mittellateinischer Dichtungen. Unter Benutzung der Vorarbeiten von Alfons Hilkas, Göttingen 1959

2 Beispiele: BSB München, Tegernsee Clm 4381 und Clm 19037.

3 Melk, Cod. 662, fol. 139r: „… conscripta a magistro Johanne Slitpacher de Weylheim, monacho Mellicensis monasterii“.

4 Konrad von Geisenfeld tritt 1434 ins Benediktinerkloster Melk ein. Von einer Visitationsreise mit Johannes Schlitpacher 1441-1443 in Süddeutschland kehrt er nicht mehr in sein Heimatkloster zurück. Er überträgt seine Stabilitäät 1443 in das bayerische Benediktinerkloster Tegernsee.