Melk, Cod. 662, fol. 139r

Melker Reform


Die Melker Reform nimmt ihren Anfang auf dem Konzil von Konstanz (1414-1418). Es wurde eine große Kirchenreform eingeleitet, die auch die Zustände in den Klöstern in den Blick nehmen sollte. Herzog Albrecht V. (1397-1439) initiierte darauf die Klosterreform im niederöstereichischen Kloster Melk, das mit dem 1418 neu eingesetzten Abt Nikolaus Seyringer sich bald zum Musterkloster entwickelte und zahlreiche weitere Klöster in Österreich und Süddeutschland mit seiner Erneuerungsbewegung erreichte.

Im Zentrum der Bewegung standen in erster Linie die Erneuerung des gemeinsamen Lebens, der Vita communis, und die damit verbundene Rückbesinnung auf die Regel des heiligen Benedikts, die Regula Benedicti.

Der erneuerte Bildungsanspruch in der Reformbewegung bewirkte enge Verbindungen der Reformanhänger zur Universität Wien. Auch die Ausbildung der Novizen bekam einen neuen Stellenwert, was sich an der Einrichtung eines eigenen Novizenmeisters erkennen lässt. Zudem geben die klösterlichen Bibliothekskataloge aus dem 15. Jahrhundert Aufschluss über den starken Zuwachs an Texten in unterschiedlichen Formen, deren Inhalt sich mehrheitlich mit der Umsetzung des Reformprogramms und dem benediktinischen Leben beschäftigte.1 Leben und Wirken des Ordensgründers sind ebenfalls zentrale Themen der Reformautoren. So entstehen neben zahlreichen hagiographischen Bearbeitungen in Prosa auch einige versifizierte Benediktsviten, die unter verschiedenen Titeln wie Carmina, Metra, Versus in den Katalogen aufgeführt werden.2 Eine Verarbeitung der Vita Benedicti als mnemotechnisches Gedicht liegt bei Johannes Schlitpachers Memoriale vitae sancti Benedicti vor.



1. Hohenadel, Victoria, Johannes Schlitpachers ‚Remedia metrica‘. Ein Beispiel für lateinische Dichtung der monastischen Reformbewegung im Spätmittelalter, Mittellateinisches Jahrbuch 52,2 (2017), 175-194, bes. 175-176.

2. Eine frühe, aus dem 13. Jahrhundert stammende Versifizierung der Taten des heiligen Benedikt, die im Spätmittelalter reiche Verbreitung fand, ist die Vita mit dem Incipit „Bis bini vitae“ in 111 elegischen Distichen. Sie ist ursprünglich mit einem Bilderzyklus ausgestattet, wurde aber auch ohne Bilder mehrfach im Rahmen der Melker Reform überliefert. Ein anderes Gedicht über den heiligen Benedikt ist das Carmen de sancto Benedicto des Hieronymus von Mondsee mit dem Incipit „puer petens heremum“ in 35 hymnischen Strophen. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und dem direkten Kontext der Melker Reform.